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Blechtanzmusik
Vom April 2013 bis Dezember 2014 durfte ich für das Haus der Volksmusik Altdorf das Projekt 'Blechtanzmusik zu Beginn des 20. Jahrhunderts' betreuen. Teil des Projekts war es, die originalen Tänze mit den überlieferten Noten und einer neuen Besetzung wieder aufzuführen. Daraus entstanden ist die Formation 'Schänner Blech-Füfermusig', die CD-Produktion mit dem gleichnamigen Titel für Musiques Suisses sowie die Publikation einer Auswahl der originalen Tänze unter dem Titel Bauerntänze Vol. 1 "Schänis" beim Mülirad-Verlag, Altdorf.
Die im Rahmen des Projekts 2014 aus der Taufe gehobene Formation 'Schänner Blech-Füfermusig' hat den traditionellen Still erfolgreich wiederbelebt und sich in der Szene der 'neuen' Schweizer Volksmusik etablieren können. Anfang 2020 hat sich die Formation mit "Schäbyschigg" einen neuen Namen gegeben. Der neue Name steht für den Anspruch der Formation die Tradition nicht nur zu konservieren, sondern neue Volksmusik für diese Besetzungsform zu schaffen und so die Tradition weiter zu entwickeln. Weitere Informationen finden Sie auf der Website von "Schäbyschigg".   


Folgender Artikel wurde für die Folklore-Zeitschrift 'Alpenrosen' verfasst und in der Ausgabe Juli/August 2014 publiziert.

Schänis und die Blechtanzmusik
War Schänis zum Ende des 19ten Jahrhundert das regionale Kompetenzzentrum für Blechtanzmusik? Unbestritten ist, dass Blechtanzmusik in 5er oder 7er Besetzung zu dieser Zeit in der Linth-Ebene, im Glarnerland sowie auch bis ans Ostende des Walensees und Flums sehr populär gewesen ist. Der Ursprung der damaligen Tödimusik Linthal geht zum Beispiel auf Blechtanzmusiken aus Rüti GL und Linthal zurück. In Flums sind dank Hanny Christen die Tänze der Peterlimusik, ebenfalls eine Blechtanzmusik überliefert. ​​​​​​​

Eine der frühesten Quellen in Bezug auf Schänis ist die Nennung ‚die bestbekannte Blechtanzmusik aus Schänis’ 1878 in der Kaltbrunner Dorfchronik. Allein die Tatsache, dass Johann Fuchs Formation mit kommerziellen Aufnahmen überliefert ist, spricht für die besondere und regionale Ausstrahlung die diese Schänner Formation gehabt haben dürfte. ​​​​​​​

​​​​​​​Alfred Fäh jun. (*1936) gebührt der Dank, dass er die musikalische Hinterlassenschaft von Wilhelm (1891-1918) und Johann Fuchs (1880-1949) sowie seinem Vater Alfred Fäh sen. (1897-1969) zusammengetragen und zu deren Geschichte weitere Quellen erschlossen hat.
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Die bekannteste und über die längste Zeit aktive Formation aus Schänis um die Jahrhundertwende dürfte die von Johann ‚Fischer’ Fuchs gewesen sein. Gemäss der aktuellen Quellenlage hat seine Formation unter dem Namen Ländler-Musik Fuchs im Juli 1914 für die Plattenfirma Odeon in Zürich 16 Titel eingespielt. 4 Stimmenbüchlein (Clarinet in B., Bügel in B. [Flügelhorn], Althorn in B. [Tenorhorn], Bass in Es [Basstuba]) von Johann Fuchs sind, datiert mit 1912 überliefert, wobei das Stimmenbüchlein für Trompete offensichtlich fehlt bzw. verschollen ist. 


Von Wilhelm Fuchs stammt die älteste Notenquelle aus Schänis, datiert ab 1907. Es ist ein vollständiger Satz Stimmenbüchlein (Clarinet in B., Trompete B., Flügelhorn in B., Althorn in B. [Tenorhorn], Bombardon in Es [Basstuba]) für 5er Musik überliefert. Dokumentiert ist seine Formation auch dank eines Photos mit der Legende ‚Tanzmusik Fuchs jun., Schänis 1909’. Die Formation posiert dabei in der damaligen Uniform der Bürgermusikgesellschaft Schänis. Willhelm Fuchs war wie auch Johann Fuchs Mitglied derselben und amtete zeitweise auch als deren Dirigent. Wilhelm Fuchs verstarb jung an der spanischen Grippe und so dürften sich die Aktivitäten seiner Formation eher in kleinerem Rahmen gehalten haben. Wichtig ist jedoch sein Beitrag zum Schänner Repertoire. Dem Vernehmen nach war er Militärtrompeter und so liesse sich mittels der militärischen Kotakte vielleicht auch erklären, weshalb mehrere seiner überlieferten Stücke mit Stücken der Peterlimusik Flums zumindest in der Melodieführung identisch sind. 
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Die Arrangements der Fuchs-Kapellen zeichnen sich dadurch besonders aus, dass die Melodieführung nicht ausschliesslich bei der Klarinette liegt, wie das später, auch bei Alfred Fäh sen. mehrheitlich der Fall war. Klarinette, Trompete, Flügelhorn wechseln sich mit Melodie, zweiter Stimme und Begleitung ab. Gegenmelodien finden sich in den Trompeten-, Flügelhorn- und Tenorhornstimmen.


Mitglied der Bürgermusikgesellschaft Schänis wurde 1915 auch Alfred Fäh sen. Die Musik der Kapellen Fuchs hatte es ihm angetan und so begann er deren Stücke ab 1920 zu transkribieren. Bis ca. 1928 sammelte er so rund 200 Stücke die in drei Sätzen Stimmenbüchlein für Klarinette, Trompete, Flügelhorn, Tenorhorn und Bass überliefert sind. Für einzelne Stücke schrieb er ergänzend in einem separaten Büchlein obligate Tenorhorn-Melodiestimmen. Nebst den Stücken der Fuchs-Kapellen finden sich aber auch zahlreiche Stücke aus dem gängigen Blasmusik und Militärrepertoire, bekannte Schlager dieser Zeit sowie populäre Stücke der Schweizer Ländlermusik. Als Beispiel sei Alfred Fähs Transkription Zürcher Strandbadleben Fox von ca. 1928 genannt. Im Unterschied zu den Fuchs Kapellen stellte Alfred Fäh sen. seine Formationen jeweils ad hoc mit Kollegen aus der Musikgesellschaft Schänis zusammen. So wurde die Schänner Blechtanzmusik-Tradition auch bis in die 50er Jahre des 20ten Jahrhunderts weiter gepflegt. Alfred Fäh wurde auch von der Volksmusik-Sammlerin Hanny Christen besucht und erhielt von ihm ein paar Tänze zur Abschrift für ihre Sammlung.​​​​​​​

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Alfred Fäh jun. war vorerst wenig interessiert an der Blechtanzmusik-Tradition in Schänis. In den 90er Jahren wurde die Sammlung von Hanny Christen wiederentdeckt. Ebenfalls in diese Zeit fällt die Gründung einer neuen Schänner Fünfermusik duch Alfred Fäh jun. Initiative und Anstoss dazu kam von Lehrer Norbert Fässler und der Kulturkommission Schänis. Basierend auf den Originalnoten aus dem Nachlass seines Vaters musizierte Alfred Fäh jun. mit einer festen Besetzung (Sopransaxophon, Flügelhorn, zwei Tenorhörner und Bass) von Kollegen aus der Musikgesellschaft Schänis. Alfred Fäh jun. und seine Formation ist 2005 im Dokumentarfilm des Schweizer Fernsehens über das Leben und Schaffen von Hanny Christen portraitiert worden. Altersbedingt und mangels Interesse der jüngeren Musikanten in den Reihen der Musikgesellschaft Schänis, entschied Alfred Fäh jun. im Jahre 2012 die Aktivitäten seiner Fünfermusik einzustellen und die originalen Noten zusammen mit dem restlichen, reichhaltigen musikalischen Nachlass seines Vaters dem Haus der Volksmusik zu übergeben. Darunter auch die originalen Noten von Johann und Wilhelm Fuchs.


Die aktuelle Formation Schänner Blech Füfermusig wurde auf Initiative des Haus der Volksmusik im Rahmen des Projekts Blechtanzmusik zu Beginn des 20ten Jahrhunderst 2014 gegründet. Mit den originalen Schänner Arrangements für Klarinette, Trompete, Flügelhorn, Tenorhorn und Bass soll die Blechtanzmusik Tradition einer breiten Öffentlichkeit neu vermittelt werden. Dazu gehört auch die im April 2014 erschienene und beim Mülirad Verlag Altdorf verlegte Notenpublikation von zwanzig ausgewählten Stücken, die zu den populärsten der Schänner Tradition gehört haben dürften. 


Glarus 15.5.14, Lorenz Stöckli